23 The Burning Passage

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The Burning Passage | Eine performativ-kollektive Katharsis

Dieses Konzept entand als Einreichung für die Ausschreibung des Südtiroler Künstlerbunds gemeinsam mit dem Verein Erlebnis Pragser Wildsee für ein Kunstprojekt zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. “Das bereits vorhandene rote Boot muss dabei Teil der Kunstperformance bzw. der künstlerischen Aktion sein.”, so die Vorraussetzung der Ausschreibung.

An der Ausschreibung nahmen 25 Künstler:innen teil. Die Preisträgerin Indra Moroder hat ihr Konzept als Video realisiert. Seit 2024 tourt eine Ausstellung mit allen Einsenungen durch Südtirol und über seine Grenzen hinaus.

Bozen: 25.11. 2024-01.02.2025

Bildhungshaus Kloster Neustift: 10.3.-12.4.2025

Weitere Stationen folgen: tba

Konzept für eine Performance am Pragser Wildsee und in den öffentlichen Verkehrsmitteln Südtirols

Ein brennendes rotes Boot. Mitten auf dem Pragser Wildsee. Dieses bedrohliche, aber auch mystisch anmutende Bild, soll sich wie ein Mahnmal in die Köpfe der Menschen einprägen und sich auch noch lange nach dem internationalen Gedenktag in die Wahrnehmung der Menschen einbrennen. Auch dann, wenn sie wieder in ihrem Alltag sind, dann, wenn lieber weg geschaut und oberflächlich auf die Frage hin, „Wie geht es Dir?“, mit „Gut, danke und Dir?“, geantwortet wird. Mit dem folgenden Konzept möchte ich die Hintergründe dieser Kunstaktion beleuchten.
Die Idee & Hintergründe
„The Burning Passage“ ist eine mehrstufige künstlerische Performance, die das Problem der Gewalt gegen Frauen thematisiert und durch ein starkes, symbolisches Bild die spirituelle und gesellschaftliche Dimension der Gewalt aufzeigt. Die Performance erzählt die symbolische Reise von Zerstörung in Form von Gewalt an Frauen hin zur Befreiung ihrer geschundenen Körper und/oder Seelen. Der Mord als „konsequenteste“, finalste und „sichtbarste“ Gewalt an Frauen ist jedoch nur die Spitze des Eisberges. Gewalt gegen Frauen ist kein Männerproblem. Sondern ein gesellschaftliches. Wie Alexandra Aschbacher, Redakteurin bei „ff – dem Südtiroler Wochenmagazin“,  im Februar 2020 in ihrem Leitartikel schreibt, „Wenn einmal wieder das Äußerste passiert, dann ist das Entsetzen groß. Wenn wieder eine Frau ermordet wurde, dann fragen viele nach dem Warum. Dann werden für das Geschehene schnell Erklärungen gesucht – und oft auch ebenso schnell gefunden. Kulturspezifische Gründe, psychologische oder auch milieubedingte. […] Frauen sterben, weil sie Frauen sind. Leider bleiben die Taten meist dort, wo sie passieren: hinter verschlossenen Türen.“
Die Zahlen sind erschütternd: In Italien wird fast jeden dritten Tag eine Frau von ihrem (ehemaligen) Ehemann, Lebenspartner oder einem anderen Familienangehörigen getötet. Statistisch gesehen sind weltweit etwa 1 von 3 Frauen in ihrem Leben von physischer oder sexueller Gewalt betroffen. Das entspricht rund 736 Millionen Frauen.

„Es fängt damit an, dass wir als Gesellschaft über Gewalt gegen Frauen reden.“
-Alexandra AschbAcher

“The Burning Passage” fokussiert sich auf den Befreiungsgedanken für alle Frauen, denen Gewalt, in welcher Form auch immer, angetan wird. Die „brennende“ Passage verweist auf das transformative Feuer, das einerseits die Zerstörung von Harmonie, bis hin zu Zerstörung eines Lebens symbolisiert, aber zugleich auch den Akt der Befreiung ihrer Seelen darstellt. Das rote Boot, das auf dem Pragser Wildsee wie in Flammen zu stehen scheint, steht für den Übergang vom Leiden zur Befreiung, vergleichbar mit dem hinduistischen Konzept des Moksha oder der Erlösung im katholischen Glauben, dem endgültigen Zustand des Friedens und der Einheit mit dem Göttlichen.
Die Performance bezieht sich auf die Verbrennungsrituale am Manikarnika Ghat in Varanasi am heiligen Ganges in Indien, wo nach traditionell hinduistischer Tradition der Übergang der Seelen durch Feuer vollzogen wird und Leichname in Zeremonien verbrannt werden. In „The Burning Passage“ steht das Feuer für Transformation und das Wasser spielt als reinigendes Element eine zentrale Rolle, dass das in Flammen stehende Boot trägt. Das Boot selbst symbolisiert den Übergang zwischen den Welten, sowohl physisch als auch metaphysisch. Wie der Fährmann Charon in der griechischen Mythologie die Seelen über den Fluss Styx in die Unterwelt bringt, dient es als Begleiter für die Seelen der Frauen die Gewalt erlitten haben oder ermordet wurden. Bei einem Mord, so glaubt man in spirituellen Lehren, werden die Seelen durch Gewalt aus ihren Körpern gerissen. Sie irren oft noch monatelang oder sogar jahrelang heimatlos in einer Zwischenwelt umher, ohne Erlösung oder Frieden zu finden. Die Flammen auf dem Boot symbolisieren sowohl Zerstörung als auch Transformation. Sie stehen für die Gewalt, die den Frauen angetan wurde, und gleichzeitig für ihre Befreiung. Im Hinduismus wird dieser Zustand der Befreiung als Moksha bezeichnet, während er im katholischen Glauben als Erlösung verstanden wird – das ewige Leben als Rückkehr zu Gott.

Performative Aktion

Die Besucher*innen der Aktion „The Burning Passage“ sind eingeladen, aktiv an der Zeremonie teilzunehmen, indem sie am Seeufer gelagerte Brennholzscheite mit Vornamen von Frauen versehen, von denen sie wissen, dass ihnen Gewalt zugefügt wurde oder wird. Natürlich kann eine Frau auch ihren eigenen Namen auf das Holzscheit schreiben. Vor Ort liegt auch eine Liste mit den Namen der Frauen aus, die seit 25.11.2023 bis zum Stichtag am 25.11.2024 in Italien ermordet wurden. Stand heute, 20.09.2024: 55 Frauen, siehe Anlage .
Das Aufschreiben des Namens auf dem Holzscheit passiert auch mit der Symbolik des Feuers, des Einbrennens. Der Name wird nämlich mit einem Lötkolben in den Holzscheit eingebrannt. Dieser Akt des Sichtbarmachens von Einzelschicksalen und durch die Verwendung des Vornamens, sollen die Opfer von Gewalt ein persönlicheres Gesicht bekommen. Die anonyme Zahl und die Dunkelziffer an Gewalt an Frauen hinter verschlossenen Türen, bekommt durch den Akt des Einbrennens des Vornamens Zeugen.
Die beschrifteten Holzscheite werden dann alle einzeln aufs rote Boot, das zunächst am Seeufer ankert, gebracht. Das Hineinlegen ins Boot erfolgt mit dem Satz „Ich sehe dich. bzw. Ti riconosco.“ Dann ist das Boot bereit seine Reise anzutreten und das Feuer wird entzündet.
Die Umsetzung 
Die Inszenierung erfolgt auf dem Pragser Wildsee, der für die Dauer der Performance als „Dolomite Ghat“ stilisiert wird. Nun gibt es 2 Varianten der Umsetzung, je nachdem was (feuer)technisch im Naturpark erlaubt ist. Bei der Umsetzung egal welcher Variante, würde ich mit einem pyrotechnischen Team zusammenarbeiten, die langjährige Erfahrung im Bereich von Events und Filmaufnahmen haben. Diego Marangoni von Impact Productions aus Innichen kenne ich durch meine Arbeit als Filmschauspielerin von diversen Projekten, bei denen sie involviert waren. Er kennt auch die Gegebenheiten vor Ort am Wildsee.
Variante 1: Auf dem Boot befindet sich ein feuerfests Gefäß, in dem die Brennholzscheite kontrolliert mitten auf dem See verbrannt werden. In diesem Fall würde man das Gefäß vom Ufer aus erkennen, es hätte also nicht den Anschein, dass das Boot selbst in Flammen stehen würde. Hier steht er Akt des Übergeben der beschrifteten Holzscheite ans Feuer im Mittelpunkt. Dafür würde ich selbst mit einem Pyrotechniker auf einem Beiboot dem roten Boot  Geleit geben. Symbolisch als Wächter und Zeugen dieses Rituals.
Sollte sich herausstellen, dass wir nicht mit „echtem“ entzündeten Feuer arbeiten können, weil es die Bestimmungen vor Ort nicht zulassen, gibt es eine alternative Variante.
Variante 2: Das Boot wird so präpariert, dass es den Anschein erweckt, in Flammen zu stehen, ohne tatsächlich zerstört zu werden. Technisch wird das Feuer auf dem roten Boot so umgesetzt, dass es mittels Gas produziert wird. Ein Beiboot, das in ca. 10 m Abstand das Boot durch Schläuche mit Gas versorgt, zieht das brennende Boot auf den See hinaus. Vom Beiboot aus, wird auch das Feuer von einem Pyrotechniker überwacht.
Vom Ufer aus, wird es aussehen, als brenne das rote Boot tatsächlich. In Wahrheit bleibt es aber unversehrt. Ich selbst werde mich als Begleiterin ebenfalls auf dem Beiboot befinden um die Performance Aktion abzuschließen und als Wächterin und Zeugin der Zeremonie zu fungieren.
Bei dieser Variante dürfen die Holzscheite allerdings nicht ins Boot gelegt werden, da sie sonst Feuer fangen könnten. Diese Variante ist vom Bild des Bootes her stärker, da es zu brennen scheint. Nachteil ist, dass die Symbolik der Holzscheite, die ja verbrannt werden sollen, nicht mit aufs Boot dürfen. Hier könnte man-immer wenn erlaubt- am Ufer verschiedene große Feuerschalen aufstellen, in die die Besucher*innen dann die Scheite werfen und verbrennen. So hat man Mahnfeuer am Ufer und das Mahnfeuer auf dem Boot mitten im See. Stelle ich mir auch ganz schön vor.
Die zeremonielle Performance soll ein aktiver Aufruf zur Teilnahme an alle Interessierten Menschen sein und dauert so lange, bis alle Holzscheite beschriftet sind und dann dem Feuer übergeben wurden. Das Feuer auf dem Boot kann über eine Stunde brennen.

Erweiterte landesweite künstlerische Intervention

Was wäre, wenn wir die Aktion auf dem Pragser Wildsee schon vorher in das Bewusstsein der Menschen bringen um auf die Wichtigkeit dieses Themas hinzuweisen?
Ich spinne mal Ideen weiter… Schauen wir mal, was es mit Euch macht… Dafür arbeiten wir mit der STA – Südtiroler Transportstrukturen AG, der Inhouse-Gesellschaft des Mobilitätsressorts der Südtiroler Landesverwaltung zusammen. Wir bespielen 1-2 Wochen vor dem Gedenktag in allen Regionen Südtirols Busse, Züge und Bushaltestellen. Und das wie folgt:
Rote Holzscheite als Mahnmahl im öffentlichen Nahverkehr
In ausgewählten Bussen, Zügen und an Bushaltestellen im ganzen Land werden Installationen angebracht. Jeweils 7 Brennholzscheite werden auf einer Teleskopstange „aufgefädelt“. Diese werden dann direkt in Bussen, Zügen oder Bushaltestellen zwischen Boden und Oberboden befestigt. Von 7 aufgereihten Brennholzscheiten ist jeweils das 3. und das 6. komplett rot eingefärbt/lackiert in Anspielung und als Symbol für die vorher zitierten Statistiken, dass jede 3. Frau weltweit in ihrem Leben von physischer oder sexueller Gewalt betroffen ist.
Diese künstlerische Intervention im öffentlichen Raum soll das Gewahrsein für Gewalt an Frauen in alle Landesteile bringen. Und auch Menschen berühren, die sonst nicht mit Kunst in Berührung kommen. Bei jeder Teleskopstange könnte man einen QR-Code anbringen und/oder ein kleines Schild, um auf den Internationalen Aktionstag und die Performance hinzuweisen. Im Vordergrund steht das Sichtbarmachen eines gesellschaftlichen Problems im öffentlichen Raum.

Plakataktion als Mahnmal

An Bushaltestellen könnten (in Zusammenarbeit mit den Citylight Postern von First Avenue) Plakate inszeniert werden, um entweder auf die Aktion oder den Aktionstag hinzuweisen. Entweder man lichtet die Teleskopstangen mit den Holzscheiten ab oder man inszeniert das brennende Boot vorher für ein Foto, dass dann als Motiv verwendet werden kann. Mit einem QR-Code versehen erhält man mehr Infos über die Hintergründe der Aktion.

Abschließende Gedanken

Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit. Ich freue mich darauf, mit Euch über meine Idee ins Gespräch zu kommen. Euer starkes Bild des roten Bootes auf dem idyllischen See hat mich inspiriert, es noch dramatischer als Mahnmal zu gestalten, und plötzlich entstand das Bild eines brennenden Bootes in meinem Kopf. Es hat mir große Freude bereitet, dieses Konzept zu entwickeln, und ich hoffe, dass es für die Ausschreibung realisiert werden kann. Wenn Euch einzelne Ideen oder Varianten gefallen, freue ich mich auf die Umsetzung.
Über die Künstlerin | Kurzbiographie
Lissy Pernthaler wurde 1983 in Bozen geboren und ist in Kaltern am See aufgewachsen. Sie ist Schauspielerin, Autorin und Performance Künstlerin. Engagements am Theater seit ihrer Jugendzeit führen sie auch nach ihrem Schauspielstudium in Berlin an verschiedene Theater im deutschsprachigen Raum. Es folgt das Studium der Europäischen Medienwissenschaft in Potsdam (BA) und Engagements als Schauspielerin in deutschen, österreichischen und internationalen Kinoproduktionen. Gedichte, Prosatexte, sowie szenische Texte von ihr werden veröffentlicht und gewinnen Preise. Mit ihrem Performance Label blütenwerfer performances verarbeitet sie seit 2007 menschliche Seelenbilder zu performativen Aktionsräumen.
Seit jeher faszinieren sie die großen Fragen des Lebens: Woher komme ich und warum bin ich hier? Sie begibt sich auf die Reise zu sich selbst und taucht mit Yoga, Meditation, Persönlichkeitsentwicklung, Mindsettechniken in die Welt der Bewusstseinsentwicklung ein. Seit 2003 bildet sie sich in diesem Bereich kontinuierlich fort. Sie lässt sich zur Yogalehrerin ausbilden und absolviert Lehrgänge für Spiritual Teaching und Meditation in Deutschland und England.
2022 gründet sie anima.spiritual teaching, kreiert eine ganzheitliche Wellness- und Spa-Philosophie, die mit ihrem holistischen Ansatz die klassische Wellness Branche neu denkt, ganz getreu ihrem Motto: Tiefseelentauchen.
Lissy arbeitet als (Film)Schauspielerin, Künstlerin und Autorin an spannenden Projekten.
Sie liebt Mangos und Avocados, sowie kalte klare Bergseen und das glitzernde Meer an sonnigen Tagen. Sie lebt und liebt im sonnigen Überetsch in Südtirol.

Hier zur offiziellen Seite der Ausstellung vom Südtiroler Künstlerbund. Click.

16. März 2025 23 The Burning Passage